Ambulante und stationäre Suchtkrankenversorgung aufrechterhalten
In der bedrohlichen Situation der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemie sind alle Beteiligten des Gesundheitssystems gefordert zusammenzustehen und die Krise gemeinsam zu bewältigen. Die Kapazitätserweiterung für die Versorgung schwerst an Covid 19 Erkrankter hat dabei derzeit höchste Priorität. Die Einrichtungen der Suchtkrankenversorgung mit ihren Rehabilitationskliniken sind selbstverständlich bereit, ihren Beitrag hierzu zu leisten. Aber auch die Behandlung und Versorgung aller anderen Erkrankten muss, soweit es geht, weiterhin durchführbar sein.
Suchtkranke, die zumeist an weiteren, teils schweren psychischen und somatischen Erkrankungen leiden, sind dabei in der derzeitigen Notsituation besonderen Risiken ausgesetzt. Sie sind auf ein funktionierendes Suchtkrankenversorgungsnetz angewiesen. Aufnahmemöglichkeiten, insbesondere Notaufnahmen zur Entzugsbehandlung, qualifizierte Entzugsbehandlung, die Basisversorgung in den Suchtberatungsstellen und den psychiatrischen Institutsambulanzen, die Entwöhnungsbehandlungen sowie die ambulante und stationäre Vergabe von Substitutionsmitteln müssen auch in der jetzigen Pandemie-Krise kontinuierlich zur Suchtkrankenbehandlung zur Verfügung stehen.
Schon jetzt wächst durch die weitgehende Schließung oder Angebotsreduktion der Suchtberatungsstellen und die eingeschränkten Entgiftungs- und Entzugsmöglichkeiten sowie reduzierten oder aufgehobenen Aufnahmemöglichkeiten in Rehabilitationskliniken der Druck auf suchtkranke Menschen und auf die Einrichtungen der Suchtkrankenbehandlung, die erforderliche Versorgung sicher zu stellen.
Die Entwöhnungsbehandlung findet in Deutschland überwiegend im Rahmen der medizinischen Rehabilitation in dazu spezialisierten Abteilungen oder Rehabilitationskliniken statt. Sie stellt die eigentliche Behandlung der Grunderkrankung dar und ist unverzichtbar. Hierzu gehört auch die Mitbehandlung oft schwerer psychischer und somatischer Begleit- und Folgeerkrankungen. Ein nicht unerheblicher Anteil der Suchtkranken auch in Rehabilitationskliniken ist wohnungslos, sozial entwurzelt oder lebt in prekären Wohnverhältnissen.
Für eine Versorgung akutmedizinisch-somatisch Erkrankter fehlt den Entwöhnungskliniken und Abteilungen die medizinische Infrastruktur. Das fachkompetente Personal ist nicht in ausreichender Zahl vorhanden. Ebenso fehlt es an erforderlicher Schutzausrüstung und medizintechnischer Ausstattung. Die Schließung von Entwöhnungskliniken und Abteilungen, wie sie von den zuständigen Behörden in einigen Regionen Deutschlands bekannt gegeben wurde, ist aus unserer fachlichen Sicht nicht geeignet zur Eindämmung der Pandemie und zur Schaffung von qualifizierten Ersatzkapazitäten für die stationäre Versorgung akutmedizinisch Erkrankter.
Hingegen entlastet die originäre Arbeit mit den schwer Suchtkranken die Gesellschaft und akut-medizinische Einrichtungen. Viele der in unseren Einrichtungen behandelten Patientinnen und Patienten haben krankheitsbedingt unbehandelt erhebliche Schwierigkeiten, sich zu Hause selbst zu versorgen. Bei vorzeitiger Entlassung drohen Rückfall und hohe Eigengefährdung, verbunden mit der verminderten Fähigkeit, Grenzen und Regeln einzuhalten, auch Fremdgefährdungen sind nicht auszuschließen. Bei Zusammenbruch der Suchtkrankenversorgung droht eine zusätzliche Belastung des akutmedizinischen somatischen und psychiatrischen Versorgungssystems. Der Abbau der Suchtkrankenversorgung ist somit nicht geeignet, die Pandemie einzudämmen, vielmehr führt er zu weiteren Risiken und birgt die Gefahr, den gesundheitlichen Schaden für die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Gesellschaft zu erhöhen.
Wir appellieren dringend an die politisch Verantwortlichen, in ihren Überlegungen zur Schaffung von Ersatzversorgungskapazitäten für Akutmedizin differenziert vorzugehen und eine ausreichende Versorgung aller Suchtkranker sicher zu stellen.
Deutsche Suchtmedizinische Gesellschaft (DSMG) e.V.
Dr. med. Dieter Geyer
Präsident, Ärztlicher Direktor Johannesbad Fachkliniken Fredeburg und Holthauser Mühle
Johannesbad Adaption Dortmund
Zu den drei Buchen 1
57392 Schmallenberg
Dachverband der Suchtfachgesellschaften (DSG)
Professor Dr. med. Markus Backmund
Präsident
Tal 9, Rgb
80331 München
Deutscher Bundesverband der Chefärztinnen und Chefärzte der Fachkliniken für Suchtkranke
DBCS e.V.
Dr. med. Welf Schroeder
Präsident
Mühlental
57629 Wied
Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) e.V.
Dr. med. Wibke Voigt
Vorsitzende
Heidhauser Straße 273
45239 Essen
Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht) e.V.
Prof. Dr. med. Rainer Thomasius
Präsident
Martinistraße 52
Gebäude W29 (Erikahaus)
20246 Hamburg
Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) e.V.
Professor Dr. med. Markus Backmund
1. Vorsitzender
Tal 9, Rgb
80331 München
Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie (DG SPS) e.V.
Dr.phil. Gallus Bischof
Präsident
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Deutsche Suchtmedizinische Gesellschaft (DSMG) e.V.
Dr. med. Dieter Geyer
Präsident
Zu den drei Buchen 1
57392 Schmallenberg
Fachverband Sucht e.V.
Dr. phil. Volker Weissinger
Geschäftsführer
Walramstraße 3
53175 Bonn
Autor: Johhanesbad Gruppe
Stand: 25.03.2020